Marktstraße 56

Marktstraße 56

Rosalie Jacobsohn geb. Behr vor dem Geschäft in der Marktstraße 56
Georg Jacobsohn mit Kameraden der Feuerwehr 1911 in Turin

Georg Jacobsohn, Rosalie Jacobsohn geb. Behr, Alfred Jacobsohn, Eva Johanna geb. Stern und Kind ohne Namen

Georg Jacobsohn stammte aus Preußisch Friedland in Pommern, wo er am 9. November 1872 geboren wurde. 1895 kam er nach Burgdorf. Seit 1901 führte er zusammen mit seiner Frau Rosalie geb. Behr im Haus Marktstraße 56 ein Schuh- und Textilgeschäft. 

 Georg Jacobsohn kämpfte als Frontsoldat im Ersten Weltkrieg „für Gott, Kaiser und Vaterland“. Er war Mitbegründer des Verkehrs- und Verschönerungsvereins. Noch 1933 war er Rechnungsprüfer im Schützen-Corps, eine absolute Vertrauensstellung, in die er 1928 erstmals gewählt wurde.  1905 trat er der Freiwilligen Feuerwehr in Burgdorf bei. Sechs Jahre später war er einer der sieben Kameraden, die zur Weltausstellung nach Turin fuhren, um an den dort stattfindenden Feuerwehr-Wettbewerben teilzunehmen. Von dieser Reise stammen die zwei einzigen Bilder, die von ihm erhalten sind. Die sieben Kameraden gewannen als einzige deutsche Freiwillige Feuerwehr einen Ehrenpreis. 

 In den 1920ern war Georg Jacobsohn Gruppenführer an der Handdruckspritze. Noch 1931 wurde er zum Adjutanten der Feuerwehrführung vorgeschlagen und bestätigt. Damit gehörte er neben dem Hauptmann Wilhelm Lüders und seinem Stellvertreter August Geissler zur obersten Führungsebene der Burgdorfer Feuerwehr. Im Jahr 1933 wurde sein Name im Beitragsbuch der Feuerwehr gestrichen und vermerkt: „ausgetreten 1. September 1933“. Nach der Machtergreifung im Januar desselben Jahres wurden die Feuerwehren nach und nach zu straff geführten Polizeigruppen umgestaltet und auf Luftschutzaufgaben ausgerichtet. In einer vergebenen Mustersatzung, die am 15.01.1934 in Burgdorf angenommen wurde, wurden nicht-arische Mitglieder ausgeschlossen. Wie Georg Jacobsohn kamen viele jüdische Kameraden dieser Demütigung durch einen freiwilligen Austritt zuvor. 

 1902 kamen der Sohn Hermann und 1906 dann Alfred zur Welt. Hermann machte eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete in verschiedenen großen Kaufhäusern (Karstadt, Tietze (später Kaufhof), Wronker (später Hansa), Alsberg) in der Teppich- und Gardinenabteilung in Hannover, Hamburg, Frankfurt am Main und anderswo. Ende November 1933 wurde er aus rassischen Gründen entlassen: „Am 21. November 1933 musste ich aus der Firma Wronker ausscheiden, indem mir mitgeteilt wurde, es sei im 3. Reich nicht möglich, dass ein Jude Abteilungsleiter bleibe und über das arische Personal herrsche!“ schrieb er später. 1935 emigrierte er nach Frankreich, schlug sich dort mehr recht als schlecht als Hauslehrer und Student durch, bis er 1937 Hilde Sommer heiratete und nach Straßburg zog. Die jungen Eheleute wurden von den Schwiegereltern unterstützt, und Hermann, der sich jetzt Armand Jacobson nannte, half dem Schwiegervater, der als Vertreter arbeitete. Mit Kriegsausbruch trat er der Fremdenlegion bei, um der Internierung durch die Franzosen zu entgehen, und wurde bis 1946 in Übersee eingesetzt. Sein Name wird in Frankreich in den Listen der militärischen Résistance geführt (Sérvice Historique de la Défense, Dossiers administratifs de résistantes et résistants, GR 16P 303319). 

Wahl Georg Jacobsohns zum Adjutanten, 1931
Alfred Jacobsohn und Eva Johanna geb. Stern

Alfred Jacobsohn war Verkäufer beim Warenhaus Sternheim & Emanuel in Hannover, Große Packhofstraße. Auch er wurde aus Gründen der Rasse Mitte 1933 entlassen. Er kehrte deshalb nach Burgdorf zurück und arbeitete im väterlichen Geschäft gegen ein Taschengeld mit. Nach dem Boykottaufruf 1933 verschlechterte sich auch die wirtschaftliche Lage der Jacobsohns drastisch. Augenzeugen berichten, dass Burgdorfer SA-Leute bei Jacobsohns Scheiben eingeschlagen, die Familie ins Schlafzimmer gesperrt und den Laden ausgeräumt hätten. Besonders begehrt seien Lackschuhe gewesen. Im Gefolge der SA wären auch andere Burgdorfer eingedrungen und hätten im Wohnzimmer Silber gestohlen. Im Mai 1937 übernahm Friedrich Fehling den Laden. Georg, Rosalie und Alfred zogen nach Hannover in die Podbielskistraße 339. In der Hannoveraner Zeit lebten Jacobsohns in großer wirtschaftlicher Not. Georg musste für einen Stundenlohn von 57 Pfennigen in einer Wäscherei arbeiten (entspricht einer heutigen (2022) Kaufkraft von ca. 2,40€). 1941 mussten sie zunächst alle in die Brühlstraße, dann in das Judenhaus in der Körnerstraße 24 umziehen. 

Am 15. Dezember 1941 wurden Georg, Rosalie, Alfred und Eva Johanna geb. Stern, die Alfred 1940 geheiratet hatte, nach Riga deportiert. Eva Johanna war bei der Deportation schwanger. Im Juli 1942 schrieb Margarethe Cohn aus Riga: „Hilde [Margarethes 12-jährige Tochter] fährt immer Alfreds Jungen spazieren, er ist zehn Wochen alt. Alfred ist aber augenblicklich nicht hier, er ist schon ein halbes Jahr fort. Er hat den Jungen noch nicht gesehen.“ Der Name dieses Kindes ist unbekannt. Alfred und Eva Johanna, die Eltern des „Kindes ohne Namen“, wurden am 1. Oktober 1944 nach Stutthof verlegt. Dort wurden beide umgebracht, Alfred noch 1944, Eva am 15. Januar 1945. Die Großeltern Georg und Rosalie kamen zusammen mit ihrem Enkelkind in Riga um. Ihre Todesdaten sind nicht bekannt. 

Unterschrift in den Entschädigungsakten; in der Druckschrift-Version der Unterschrift hat sich ein Fehler eingeschlichen (HStA. Nds. 110 W Acc. 14199 Nr. 110597)

Feuerlöschpolizei – Feuerschutzpolizei: Zur Geschichte der deutschen Feuerwehren 1933-1945 

Feuerlöschpolizei – Feuerschutzpolizei: Zur Geschichte der deutschen Feuerwehren 1933-1945

(modifiziert und gekürzt nach Ralf Schulte https://www.feuerloeschpolizei.de/index.html ; abgerufen 22.10.22)

Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 wurden Vereine und viele Einrichtungen gleichgeschaltet. Davon waren auch die Feuerwehren betroffen. Das preußische „Gesetz über das Feuerlöschwesen“ vom 15. Dezember 1933 unterstellte die Berufsfeuerwehren, freiwilligen Feuerwehren und Pflichtfeuerwehren der Ortspolizeiverwaltung und den Polizeiaufsichtsbehörden. 

Nachdem 1937 daran gedacht worden war, die Freiwilligen Feuerwehren als „Feuerwehrstürme“ in die SA zu übernehmen, wurden sie am 23. November 1938 mit dem für das gesamte Reich gültigen „Gesetz über das Feuerlöschwesen“ als technische Polizeitruppe der Zuständigkeit des Reichsministers des Innern unterstellt. Äußerlich sichtbares Zeichen des politischen Wandels war der Wechsel der Fahrzeuganstriche vom Rot zum Tannengrün der Polizei sowie die Verwendung der Hoheitsabzeichen der Ordnungspolizei an Fahrzeugen und Uniformen. Die rechtliche und organisatorische Neuordnung veränderte auch das äußerliche Erscheinungsbild der Freiwilligen Feuerwehren. Der Schnitt der Uniformen wurde wehrmachtsähnlich. Zu ihrer Herstellung wurde dunkelblaues Tuch verwendet. An die Stelle der verbreiteten Lederhelme trat der auch bei der Wehrmacht eingeführte Stahlhelm 34 als neue Kopfbedeckung. Die Uniformen erhielten Schulterstücke und am Koppel war das Seitengewehr zu tragen. 

Des Weiteren wurde die Einbindung der Wehren in den politischen Apparat immer stärker. Als Schutztruppe für Staat und Reich hatten die Freiwilligen Feuerwehren die politischen Ideale auch nach außen hin zu vertreten. Disziplin und Geschlossenheit zählten ebenso dazu wie die uniformierte Teilnahme an Aufmärschen zum 1. Mai, an den Sammlungen des Winterhilfswerks, am Tag der Polizei oder anderen staatstragenden Veranstaltungen. Mit der staatszentrierten Ausrichtung und Politisierung der Freiwilligen Feuerwehren ging zudem die Vereinheitlichung der Ausbildung und deren Militarisierung einher. 

In einem gemeinsamen Erlass von RMdI und RML wurden Luftschutzschulungen für Feuerwehrführer verordnet. Die Freiwilligen Feuerwehren sahen sich in der Folge mit einer enormen Ausweitung ihres Ausbildungsprogramms um spezifische Inhalte des Luftschutzes konfrontiert. 

Mit der Einverleibung der Feuerwehren in das nationalsozialistische Regime wurden die Feuerwehren ein Teil der zentralen Herrschaftsinstrumente des NS-Regimes. Aus der Idee der zivilgesellschaftlichen Selbsthilfevereinigung wurde ein unverzichtbarer Bestandteil der totalitären Staatsführung. Die alten Werte – Kameradschaft und Hilfsbereitschaft – ordneten sich den politischen Zielen des Regimes unter. Der tradierte Leitspruch „Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr“ galt zumindest in der Reichspogromnacht, in der Feuerwehrmänner zu Brandstiftern wurden, vielfach nicht mehr. Die alliierten Luftangriffe auf Deutschland machten viele Feuerwehrleute zu Opfern gerade jenes Feuersturms, an dessen Entzündung sie direkt oder indirekt, aktiv unterstützend, wissentlich oder wegschauend mitgewirkt hatten. 

Hannoversche Neustadt 12

Hannoversche Neustadt 12

Hermann Koninski, Louise geb. Sarnow (re), Horst (li) und Walter (re)
Quelle: Staatsarchiv Hamburg 352-11_44240 Blatt 63

Hermann Koninsky

Hermann Koninsky wurde am 21. Juni 1885 in Burgdorf als siebentes Kind der Eheleute Lesser Koninsky und Dorette geb. Philipp geboren. Die Eltern waren Mitte oder Ende der 1870er Jahre von Gommern nach Burgdorf gezogen. Lesser Koninsky muss in Burgdorf ein angesehener und erfolgreicher Kaufmann und Bürger gewesen sein. Er und sein Sohn Hermann waren aktive Mitglieder im Schützenverein der Stadt. Hermann gehörte bereits vor dem Ersten Weltkrieg zum „Club Germania“. Auf mehreren Fotos aus jener Zeit ist er in historischen Uniformen zu sehen.  

Hermann Koninsky, Berufsangaben Schlosser und Kaufmann, heiratete am 4. Juni 1920 in Hannover Louise Sarnow aus Hameln. Louise hatte keine jüdischen Vorfahren. Auf ihren Wunsch hin wurde der gemeinsame Nachname in „Koninski“ geändert.  Am 23. Februar 1921 wurde in Hannover der Sohn Walter geboren. Im November 1925 zog die kleine Familie nach Burgdorf und wohnte bei Hermanns Eltern. Am 28. Oktober 1926 wurde der zweite Sohn Horst in Burgdorf geboren. 1929 zog Hermann mit Frau und Sohn Horst nach Lehrte. Wann er mit seiner Familie Lehrte verlassen hat, ist unbekannt. Sie wohnten später in Hamburg. 

Louise ließ sich Ende der 20er-/Anfang der 30er-Jahre von Hermann scheiden. Später erzählte sie gerne, dass sie ihre Kinder vor dem aufkommenden Nationalsozialismus schützen wollte. Das ging so weit, dass sie ihren Sohn Walter zur HJ schickte. Zu dieser Zeit besuchte Walter noch regelmäßig seinen Vater Hermann. Zu diesen Besuchen zog ihm seine Mutter jedoch die HJ-Uniform an. Als „Halbjude“ wurde er nach der Machtübernahme der Nazis 1933 freilich aus der HJ ausgeschlossen, worunter er sehr litt. 

Im September 1936 oder April 1937 ist Hermann Koninski von Hamburg „unbekannt verzogen“ und auch über seinen weiteren Aufenthalt in Deutschland lässt sich nicht Sicheres feststellen. Nach Auskunft des Suchdiensts des Internationalen Roten Kreuzes ist er vermutlich von Kassel aus im Juni 1942 mit unbekanntem Ziel deportiert worden. Er gilt als „im Osten verschollen“. 

Walter und Horst wurden als „Halbjuden“ zum Arbeitsdienst eingezogen und waren während des Krieges auf dem Werksgelände der Gummiwarenfabrik Phoenix AG in Hamburg-Harburg (1.4.1943-30.4.1944) und später bei der Bauverwaltung (1.4.1944-30.4.1945), Abteilung Aufräumungsamt, für Bergungs- und Trümmerarbeiten, dienstverpflichtet. Während der Bombenangriffe durften sie nicht in den Bunkern Schutz suchen, in denen sich „Arier“ aufhielten. Da Walter sich für seinen kleinen Bruder verantwortlich fühlte, war dies eine schlimme Zeit für ihn. Zumal immer die Angst da war, dass auch „Halbjuden“ deportiert würden. Sowohl Walter als auch Horst spielten beim Hamburger Sportverein Handball. Walter sagte immer, dass er und Horst es einflussreichen Vereinskameraden zu verdanken hätten, dass sie die Kriegsjahre einigermaßen überlebten. Walter und Horst lernten beide Außenhandelskaufmann. Nach dem Krieg waren sie erst als Angestellte tätig, später machten sich beide selbständig. Man kann sagen, dass sie erfolgreiche Kaufleute waren. 

Walter Koninski jun., Walters Sohn, berichtete in einem Brief vom 28.09.2010 an Rudolf Bembenneck, was ihm seine Großmutter Louise über den Vater und Großvater erzählt hatte, denn: „Mein Vater hat nie über seinen Vater gesprochen. […] Ich bedaure es sehr, dass er sich uns Kindern gegenüber nie zu dem jüdischen Teil seiner Eltern geäußert hat.“

Quelle: Staatsarchiv Hamburg 352-11_44240 Blatt 63

Stadtrundrang zu den Stolpersteinen

Stadtrundrang zu den Stolpersteinen

Dank des Engagements der Lehrkräfte konnten wir auch in diesem Jahr wieder mit insgesamt 10 Kleingruppen aus Schüler:innen der 10. Klassen des Gymnasium Burgdorfs einen Rundgang zu wichtigen Stationen des Erinnerns an jüdisches Leben in der Innenstadt Burgdorfs machen. Neben den Stolpersteinen, die an die im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Burgdorfer:innen „mosaischer Religionszugehörigkeit“ erinnern, sind die ehemalige Synagoge und heutige KulturWerkStadt sowie das Kriegerdenkmal am Portal der St. Pankratius-Kirche wichtige Stationen.

„Man muss nicht weit von zu Hause weggehen, um etwas über diese Geschichte zu erfahren […]. Wenn man in seiner eigenen Stadt anfängt, hat man einen tieferen Bezug zu seiner eigenen Biografie, als wenn man zur Gedenkstätte Auschwitz geht. Es ist wichtig zu wissen, was in Auschwitz passiert ist, aber diese Menschen haben vorher hier gelebt.“ (Stephan Conrad, AG Geschichte, Treibhaus e.V. Döbeln; Obermayer Preisträger 2022) – Das gilt für Döbeln, Burgdorf und all die anderen Städte, wo an jüdisches Leben erinnert wird, und Stolpersteine liegen.

13.6.22 Zwei Gruppen von Gymnasiast:innen, vor der ehemaligen Synagoge, heute KulturWerkStadt, und in der Poststraße 1 vor dem ehemaligen Bekleidungsgeschäft von Louis Moosberg, heute ein Optiker.

Anne-Frank-Tag am 13. Juni 2022 an der Rudolf-Bembenneck-Gesamtschule

Anne-Frank-Tag am 13. Juni 2022 an der Rudolf-Bembenneck-Gesamtschule

Die Rudolf-Bembenneck-Gesamtschule hat sich auch in diesem Jahr wieder am Anne-Frank-Tag beteiligt. Das Anne-Frank-Zentrum ruft alljährlich im Umfeld zu Anne Franks Geburtstag am 12. Juni Schulen dazu auf, sich mit Anne Frank und der Verfolgung der Juden und Jüdinnen im Nationalsozialismus zu befassen. Lehrkräfte, Schüler*innen und die breite Öffentlichkeit sollen dadurch für Antisemitismus und Rassismus sensibilisiert werden.

In diesem Jahr stand der Tag unter dem Motto „Freundschaft“. Die Burgdorfer Schüler:innen der 10. Klassen erhielten dazu einen Impuls aus der Lokalgeschichte. Judith Rohde vom Arbeitskreis Gedenkweg 9. November stellte ihnen die Geschichte zweier Freunde mit Bezug zu Burgdorf vor, Fritz Palmbaum (auf dem Bild vorne Mitte) und Günther Stern (hinten rechts), die beide in Hildesheim zur Schule gingen. 

Fritz Palmbaums Mutter, Clara, stammte aus Burgdorf. Sie war eine geborene Moosberg. Ihre Eltern, Louis und Alma Moosberg betrieben hier ein sehr gut laufendes Textilgeschäft in der Poststraße 1, wo jetzt ein Optiker eine Filiale hat. Das Bild zeigt die Familie ca. 1913 vor ihrem Laden. Auf der Treppe ganz links Clara (geb. 1896), vor ihr ihre jüngere Schwester Änne (geb. 1899). Aus dem Fenster lehnt die Mutter Alma, davor stehen Vater Louis und der Bruder Fritz (1895), der im WKI (1916) in Frankreich „für Kaiser und Vaterland“ gefallen ist. Vermutlich ist Fritz Palmbaum nach seinem gefallenen Onkel benannt. Er war sicher oft bei den Großeltern in Burgdorf zu Besuch.

Fritz und seine Freund Günther sind beide dem nationalsozialistischen Terror entkommen. Ohne ihre Familien konnten sie 16jährig allein nach Australien bzw. in die U.S.A emigrieren. Die Familien der beiden Freunde wurden von den Nationalsozialisten ermordet.

Fritz Palmbaums Biographie war für die Schüler:innen Ausgangspunkt sich anschließend in einem Schreibprojekt in fiktiven Briefen aus der Emigration nach Hause bzw. von den Zurückgebliebenen an den Sohn im Ausland mit den Themen Verfolgung und Flucht auseinanderzusetzen.

Fritz Palmbaum vorne Mitte und Günther Stern hinten rechts ca. 1935 klein
Poststraße 1 Geschäft Moosberg vli Clara Aenne zwei Hausangestellte im Fenster Alma davor Louis und Fritz ca.1911

Vortragsreihe zur Geschichte der Weimarer Republik am Beispiel der Region Hannover in der Paulus-Feierabend-Akademie

Vortragsreihe zur Geschichte der Weimarer Republik am Beispiel der Region Hannover in der Paulus-Feierabend-Akademie

mit Dr. Peter Schulze, Hannover

Paulus-Zentrum Burgdorf, Berliner Ring 17, jeweils von 19.00 Uhr bis ca. 21.15 Uhr statt. Der Eintritt ist frei.

15. Juni 2022

Das Trauma des verlorenen Weltkriegs. Deutschnationaler Totenkult als antidemokratische Mobilisierung 

Nach 1918 gibt es keinen gesellschaftlichen Konsens über die Erinnerung an die Kriegstoten. Die republikanische Linke wehrt sich gegen die ‚Dolchstoßlegende‘, führt aber keine Auseinandersetzung um die Kriegsursachen. Die öffentliche Weltkriegserinnerung bleibt der politischen Rechten überlassen. Ihre Aufmärsche und Appelle sind Teil der Mobilisierung gegen die Weimarer Demokratie.

6. Juli 2022

Antisemitismus in Hannover: Judenfeindschaft als völkische Gesellschaftskritik

Der Antisemitismus in den 1920er Jahren ist Ausdruck einer völkischen Fundamentalopposition gegen die Weimarer Republik und den gesellschaftlichen Wandel. Die aufsteigende völkische, später die nationalsozialistische Bewegung, verbreiten die Parole „Die Juden sind an allem schuld!“

Schwarz-Rot-Gold oder Schwarz-Weiß-Rot? Ausschnitt eines Wahlplakats der Deutschnationalen 1924. © Deutsches Historisches Museum

Verbrechen im Nationalsozialismus: Das Kainsmal oder Wie wird Schuld produktiv?

Prof. Dr. Katharina von Kellenbach

Verbrechen im Nationalsozialismus: Das Kainsmal oder Wie wird Schuld produktiv?

Prof. Dr. Katharina von Kellenbach

Vortrag 6. Mai 2022 19:00 in St. Paulus (Burgdorf)

Das Kainsmal wird oft fälschlich als Stigma oder Zeichen der Beschämung verstanden. Aber in der Kainsgeschichte steckt ein radikal neuer Zugang zur Schuld: keine Bürde oder Last, die durch Vergebung erleichtert und abgenommen werden muss; auch kein Schandfleck, der gereinigt und weggewaschen werden muss. Kain darf weiterleben, wird Vater und baut eine Stadt, weil seine Schuld offen und transparent bleibt. Was bedeutet die Kainsgeschichte für den produktiven Umgang mit der deutschen Schuld für die nationalsozialistischen Verbrechen? Im Mittelpunkt stehen die Äußerungen von Kriegsverbrechern, ihre kirchlich-seelsorgerische Betreuung in den Gefängnissen und der Umgang der Kirchen mit Schuld im Nachkriegsdeutschland.  

Dr. Katharina von Kellenbach ist Projektkoordinatorin von Bildstörungen an der Evangelischen Akademie zu Berlin, um antisemitismuskritische Bibelauslegungen und Religionslehre zu fördern. Sie ist Professor Emerita für Religious Studies am St. Mary’s College of Maryland und leitete 2018-2020 die ZiF-Forschungsgruppe Felix Culpa: Zur kulturellen Produktivität der Schuld in Bielefeld. Buchveröffentlichungen: Guilt: A Force of Cultural Transformation (2021), The Mark of Cain: Guilt and Denial in the Lives of Nazi Perpetrators (2013), und AntiJudaism in Feminist Religious Writings (1994). 

Dr. Katharina von Kellenbachs Vortrag findet am 6. Mai 22 um 19:00 im St. Paulus-Kirchen-Zentrum in Burgdorf unter den dann geltenden Coronaregeln statt. 

Lesen! Eva Menasse: Dunkelblum

Lesen! Eva Manesse: Dunkelblum

Verlag: Kiepenheuer&Witsch

528 Seiten, 25 €

ISBN: 978-3-462-04790-5

Auch als e-book und bei Audible, 

eingelesen von der Autorin selbst

Das ist ein Buch, das man zwei Mal lesen muss. 1. Weil es gut geschrieben ist – große Sprachoper, nennt Denis Scheck es im „lesenswert“-Quartett des SWR. 2. Weil es eine spannend entwickelte Analyse eines nationalsozialistischen Täterkollektives ist. 3. Weil man beim ersten Lesen den Überblick verliert – und das ist vermutlich gewollt. Doch der Reihe nach.

In ihrem aktuellen Roman beschreibt Eva Menasse den Mikrokosmos einer österreichischen Kleinstadt im Burgenland an der Grenze zu Ungarn zur Zeit des Falls des Eisernen Vorhangs. Die Gegenwart des Romans spielt damit in einer Zeit, in der die Geschichte, die eigentlich erzählt wird, zu einem Ende kommt. Die erinnerte Zeit ist die, in der das Städtchen Dunkelblum im Herzen der ehemaligen KuK-Monarchie zum Schauplatz des ausbleibenden Endsiegs des Dritten Reichs wird und in die Randständigkeit einer Provinzstadt an der Grenze zum Ostblock verschwindet. Dunkelblum ist eine aus zahlreichen tatsächlichen regionalen Vorbildern konstruierte Stadt (eine davon ist Rechnitz) und sie ist dunkelbraun durch all die Jahre hindurch, mal mehr mal weniger offensichtlich. Menasse entwirft ein soziales Wimmelbild (Wolfgang Raupach) und beschreibt die Ereignisse aus der stetig wechselnden Innenperspektive zahlreicher Personen. Die Geschehnisse werden wie durch ein Kaleidoskop, das immer wieder bewegt wird, betrachtet; die Wahrheit bleibt immer fragmentarisch. Das ist nicht leserfreundlich, aber genial (Der Verlag hat inzwischen auf seiner Internetseite ein Personenregister zum Buch veröffentlicht, weil ihm die Leser als Käufer ja doch am Herzen liegen). Ohne je ganz hinabzusteigen, wird der tiefste Abgrund der Dunkelblumer Stadtgeschichte, die Massenerschießung von mehr als 100 ungarisch-jüdischen Zwangsarbeitern in den letzten Kriegswirren, erzählerisch spiralförmig-pulsierend umkreist. Im Interview offenbart Menasse, dass die erfundenen Ortsnamen der Gegend jüdischen Familiennamen entsprechen und die Namen der Täter und Obernazis der Handlung die Ortsnamen von Massentötungen sind. 

Menasse schildert in Dunkelblum eine Gesellschaft, die den Zeitpunkt der Aufarbeitung ihrer nationalsozialistischen Verbrechen verpasst hat, weil Keine und Keiner sich traute, den Anfang zu machen, auch nicht die Opfer. Die zahllosen Austriazismen der gebürtigen Österreicherin machen das Buch in ihrer vermeintlichen Gemütlichkeit scheinbar bekömmlicher für deutsche Leser: Alles so wunderbar weit weg und endlich bekommen einmal die Österreicher ihren Teil ab, schließlich war die Wurzel allen Übles, der Hitler, ja von dort.  

Wenn wir uns da mal nicht selbst betrügen. In Burgdorf wissen wir einiges über die verfolgten Jüdinnen und Juden der Stadt. Aber über die Täter und Täterinnen?

(Judith Rohde)

80 Jahre Riga-Deportation

von Hamburg nach Riga deportierte Burgdorfer

„…nach dem Osten gebracht“ – 80 Jahre Riga-Deportation

Schon seit Februar 1940 gab es regional begrenzte und sporadische Transporte deutscher Jüdinnen und Juden „in den Osten“. Ab Oktober 1941 begann die systematische Deportation in Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager in den Gebieten östlich der Reichsgrenzen flankiert von einem generellen Auswanderungsverbot für jüdische Menschen.

Am 06.12.1941 wurden Elsa Cohn geb. Rose, ihr Mann Julius und ihr Sohn Arnold sowie Rosalie Cohn geb. Lindenbaum und ihr Mann Hermann von Hamburg aus nach Riga deportiert (oberes Bild). 

Am 15. 12. 1941 wurden Margarethe Cohn, ihre Tochter Hildegard, Georg Jacobsohn, eine Frau Rosalie geb. Behr (nicht abgebildet), sein Sohn Alfred und dessen Frau Eva Johanna geb. Stern, Margarete Kaufmann geb. Löwenstein und ihr Mann Arthur (nicht abgebildet) sowie Bertha Goldschmidt geb. Fleischhacker von Hannover aus nach Riga deportiert (unteres Bild).

Das ZeitZentrum Zivilcourage Hannover erinnert ab dem 06.12.2021 an 80 der 1001 an diesem Tag verschleppten Menschen auf: 

  • Twitter @das_z_hannover
  • Instagram das_z_hannover
  • Facebook ZeitZentrum Zivilcourage
  • Online www.hannover.de/das-z

Weitere Veranstaltungen und Aktionen unter www.hannover.de/das-z

von Hannover nach Riga deportierte Burgdorfer

Heimat und Exil – Verfolgung und Vernichtung: Veranstaltungen des Arbeitskreis Gedenkweg 9. November

Heimat und Exil – Verfolgung und Vernichtung: Veranstaltungen des Arbeitskreis Gedenkweg 9. November

Emil Cohn Stadtarchiv Burgdorf

Vor 80 Jahren, am 23. Oktober 1941, erließ die nationalsozialistische Regierung einen endgültigen Ausreisestopp, nachdem das Regime zuvor zwischen Forcierung und Behinderung der Ausreise jüdischer Menschen aus Nazi-Deutschland hin- und herschwankte. Der Arbeitskreis Gedenkweg 9. November erinnert am 11.11.21 um 17 Uhr im Ratssaal des Burgdorfer Schlosses mit einer Gedenkveranstaltung an die aus Burgdorf und Deutschland vertriebenen Mitglieder der Familie Emil Cohn, für die am Tag darauf Stolpersteine verlegt werden. Die Veranstaltung im Ratssaal zeigt gleichzeitig Verbindungslinien zu heutigen Flucht- und Ankommenserfahrungen auf, ohne Schicksale und historische Situationen gleichzusetzen. Neben Emil Cohn in Selbstzeugnissen werden deshalb auch Frau Parivash Ashadi aus Afghanistan und Herr Yahyar Alshar aus Syrien zu Wort kommen. Die Veranstaltung findet unter 2G-Coronaregeln (Geimpfte und Genesene) statt. Anmeldung bis zum 8. November unter info@juedische-geschichte-burgdorf.info oder Tel. 01577-1119421. Einlass zur Veranstaltung ist ab 16:15, damit Abstands- und Kontrollregeln eingehalten werden können. Wer nicht persönlich teilnehmen kann, kann unter derselben Mail-Adresse den link für den Live-Stream erfragen.

Am 12.11.21 werden außerdem ab 11:00 neue Stolpersteine in der Gartenstraße 44 und Wallgartenstraße 38 durch Gunter Demnig selbst verlegt. Diese Veranstaltung ist öffentlich unter den Coronaregeln für Freiluftveranstaltungen. Sie wird von Schülerinnen und Schülern der Rudolf-Bembenneck-Gesamtschule und des Gymnasiums mitgestaltet.

Der Gedenkweg am 9. November fällt wegen der zahlreichen Veranstaltungen im Umfeld aus. Zu diesen Veranstaltungen gehört auch, dass das Mitglied im Arbeitskreis Gedenkweg 9. November, Dr. Tobias Teuber, am 7.11.21 um 10:00 den Predigtimpuls in einfach.Gottesdienst.feiern der St. Paulus-Kirchengemeinde gestaltet.