Die “T4” Sonderaktion von Juni/August 1940 bis Februar/Mai 1941 zur Ermordung jüdischer Patientinnen und Patienten in Heil- und Pflegeanstalten
Im März oder April 1940 wurde in der Berliner Zentrale des nationalsozialistischen Euthanasie-Projekts zur Beseitigung sogn. „unwerten“ Lebens in der Tiergartenstraße 4 eine Sonderaktion zur Ermordung jüdischer Anstaltspatienten und -patientinnen beschlossen. Im Rahmen dieser Aktion wurden jüdische Patienten und Patientinnen verschiedener Heilanstalten einer Region in Sammelstellen konzentriert. Für die Provinz Hannover, zu der auch die Neuerkeröder Anstalten unter evangelischer Trägerschaft gehörten, war die Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf die entsprechende Sammelstelle. Nach einem Aufenthalt von wenigen Tagen wurden die Patienten und Patientinnen mit Güterzugwaggons in die euphemistisch als “Landes-Pflegeanstalt Brandenburg an der Havel“ bezeichnete Tötungsanstalt verbracht. Dort wurden die Menschen noch am Tag ihrer Ankunft in als Duschen getarnten Gaskammern mit Kohlenmonoxid getötet und anschließend vor Ort in zwei transportablen Öfen der Berliner Firma Kori verbrannt. Die „T4“-Zentrale in Berlin richtete in der Tötungsanstalt ein eigenes Standesamt ein und stellte Monate später fingierte Todeserklärungen aus, die überdies angeblich von einer Pflegeeinrichtung in Cholm im Generalgouvernement bei Lublin versandt wurden. Nicht nur wurden den Leichen vor der Verbrennung etwaige Goldzähne entfernt, auch die angeblichen Unterbringungskosten in Cholm bis zum fingierten späteren Tod der Patienten und Patientinnen dort wurde der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, die als Trägerin der Wohlfahrtpflege dafür zuständig war, in Rechnung gestellt. Unschwer ist zu erkennen, dass die „T4“-Sonderaktion der Auftakt, die Blaupause und der Probelauf zur Vernichtung der europäischen Juden und Jüdinnen in den Vernichtungslagern des Ostens war. Mehr als 90 Angestellte der „T4“ wurden später auf Grund ihrer einschlägigen Erfahrungen dafür abgeordnet, darunter die Kommandanten der Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka.
Zum Weiterlesen:
https://www.brandenburg-euthanasie-sbg.de/geschichte/1940-t4-mordstaette-brandenburg/
© Arbeitskreis Gedenkweg 9. November (2021)