© Arbeitskreis Gedenkweg 9. November (2021)
Julius Cohn, 1884 in Burgdorf geboren, stammte aus einer alten Burgdorfer Familie, die hier schon vor 1800 ansässig war. Als Viehhändler war er ein überaus beliebter, angesehener und erfolgreicher Geschäftsmann und bis 1935 Kassenführer der Viehhändler- und Schlachtervereinigung. In den Akten der Gestapo Lüneburg findet sich ein bemerkenswertes Dokument (Hann. 180 Lün. Acc. 3/030 Nr. 268). Der Leiter der Staatspolizeistelle in Harburg-Wilhelmsburg beantwortete im November 1935 ein Schreiben des Reichswirtschaftsministeriums, in dem der Verdacht geäußert worden war, jüdische Viehhändler würden überhöhte Preise zahlen, um die Fleischpreise nach oben zu treiben und so Unruhe und Unzufriedenheit in die Bevölkerung zu tragen. Das sei vermutlich ein Angriff des Judentums auf das Deutsche Reich. Im Antwortschreiben der Staatspolizei vom 26.11.1935 hieß es: „Im Allgemeinen sind die Juden im Viehhandel im hiesigen Staatspolizeibezirk nicht in Erscheinung getreten. Lediglich im Kreis Burgdorf liegt der Viehhandel zum größten Teil in den Händen des jüdischen Viehhändlers Cohn aus Burgdorf. Die Schlachtereibetriebe dieses Kreises empfinden diesen Juden als wenig angenehme Konkurrenz, da er ihnen angeblich das Vieh, auf das sie selbst handeln, wegkäuft. Ob Cohn dies, wie behauptet wird, durch höhere Preisangebote erreicht, erscheint jedoch zweifelhaft. Zum großen Teil ist es wohl darauf zurückzuführen, dass die Bauern, die seit Jahren mit dem Juden gehandelt haben und nach den Äußerungen stets gut von ihm behandelt worden sind, ihr Vieh gewohnheitsmäßig weiter an ihn absetzen.“ Im Ersten Weltkrieg war Julius Marinesoldat, in Burgdorf geachtetes Mitglied der Feuerwehr und des Schützenvereins. Auch in Friedenszeiten präsentierte er sich noch gerne in seiner Reservistenuniform.
Julius und seine Frau EIsa geb. Rose hatten drei Kinder. Ruth nahm sich 1937 mit 19 Jahren das Leben. Die näheren Umstände ihres Suizids sind nicht bekannt, aber vermutlich steht er im Zusammenhang mit der Verfolgung jüdischer Menschen im Nationalsozialismus, und ihr Name wurde in das „Gedenkbuch für die Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945“ aufgenommen. Inge, Jahrgang 1921, konnte 1939 nach London emigrieren und ist dort im Mai 1942 nach einem epileptischen Anfall in der Badewanne ertrunken. Arnold, 1924 als jüngstes Kind geboren, war Sportler, leidenschaftlicher Fußballer. Er konnte nicht begreifen, dass er plötzlich nicht mehr in der Mannschaft mitspielen durfte. Arnold wollte dazugehören. Er wollte Mitglied der Hitlerjugend werden. Altersgenossen erzählten, dass der Lehrer Otto von Hinüber ihm zu erklären versuchte, warum das nicht ginge. Ohne Erfolg. Wenn Arnold von seiner Lehrstelle als Tapezierer in Hannover vom Bahnhof her über den Kirchplatz zur Uetzer Straße nach Hause wollte, musste er buchstäblich Spießrutenlaufen. Er wurde durch die Reihen der Hitlerjugend getrieben und jeder versuchte, ihm in den Hintern zu treten. Arnold wurde zusammen mit den Eltern am 6. Dezember 1941 von Hamburg aus nach Riga deportiert. Nachbarn aus der Uetzer Straße haben berichtet, dass Elsa Cohn schrecklich geschrien habe, als die Familie vier Tage vorher abgeholt wurde. Julius und Elsa wurden in Riga ermordet, vermutlich Anfang 1942. Arnold wurde möglicherweise später noch von Burgdorfern, die als Soldaten an der Ostfront waren, bei der Zwangsarbeit gesehen. Einige berichteten, dass sie Zeugen wurden, wie Arnold von einem SS-Wachmann erschossen wurde, als er sie erkannte und auf sie zugehen wollte.
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