© Arbeitskreis Gedenkweg 9. November (2021)
Margarethe Cohn wurde am 2. August 1905 in Burgdorf im Haus ihrer Eltern in der Gartenstraße 44 geboren. Ihre Familie lebte seit Generationen in der Stadt. Ihr Vater, Nathan Carl Cohn, Jahrgang 1876, fiel 1916 in Frankreich, „für Kaiser und Vaterland“, wie es in der Urkunde des Heeres hieß. Margarethe war von Beruf Kindergärtnerin. Aber sie fand keine Anstellung in einer Einrichtung. Vor allem, weil sie Jüdin war, aber auch weil die Arbeitslosigkeit zur Zeit der Weimarer Republik groß war. Also musste sie sich bei betuchten Familien als Kinderfräulein verdingen. In Minden, in Niedermarsberg, Berlin, Holzminden, immer wieder unterbrochen von Arbeitslosigkeit. In ihrer Berliner Zeit kam ihr Sohn Heinz am 23. Dezember 1927 zur Welt. Er war ein uneheliches Kind. Heinz war geistig behindert. Er lebte seit Juli 1931in den Neuerkeröder Anstalten bei Braunschweig.
Anfang September 1940 erhielt die Anstaltsleitung einen Erlass des Reichsministers des Innern, demzufolge alle psychisch kranken „Volljuden“, so der Nazijargon, in eine Sammelanstalt gebracht werden sollten. Der Leiter der Neuerkeröder Anstalten zu dieser Zeit, Pastor Ludwig Beyer, stand der „völkischen Idee grundsätzlich positiv gegenüber“ (Stephan Querfurth (2008): Ausgrenzung und Vernichtung. Neuerkeröder Blätter 73, S.7). Ohne Not veranlasste er seinen Mitarbeiter, Dr. jur. Wilhelm Hille, „das Staatsministerium um Weisung darüber [zu] ersuch[en], ob Heinz Cohn mit nach Wunstorf zu „verlegen“ sei. Die Verlegungsanordnung des RMdI [Reichsministerium des Inneren] bot zu dieser Rückfrage an sich keinen Anlass. Neuerkerode war nicht dazu verpflichtet, den Halbjuden Heinz Cohn zu melden. Marquordt [vom Staatsministerium in Braunschweig] ordnete auf Hilles Anfrage hin die „Verlegung“ an.“ (J. Klieme (1997): Ausgrenzung aus der NS-Volksgemeinschaft. Die Neuerkeröder Anstalten in der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945, S. 199).
Am 21. September 1940 wurde Heinz zunächst von Neuerkerode nach Wunstorf und dann am 27. September von der Landesheilanstalt Wunstorf aus in die Tötungsanstalt Brandenburg gebracht und am selben Tag ermordet. Eine Eingabe der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, Bezirksstelle Hannover, vom 4. November, die darauf abzielte, dass Heinz „Mischling“ sei (der Vater ist „Arier“) und deshalb nicht dem Erlass des Reichsministeriums des Inneren unterliege, sowie in Neuerkerode evangelisch erzogen sei, konnte ihn nicht mehr retten.
Margarethe wohnte zusammen mit ihrer am 23. Juli 1930 geborenen Tochter Hildegard bei ihrer Mutter Jenny geb. Hirschhahn. Auch Hildegard war ein uneheliches Kind. Nach dem Tod der Mutter Jenny am 9. Juni 1935 zog Margarethe im September nach Hannover und arbeitete als Putzfrau, später als Arbeiterin bei der Firma Pfeiffer & Bedrich in der Kohlrauschstraße. Hilde brachte sie bei Verwandten, dem Vetter ihres Vaters, Hermann Cohn, und seiner Frau Dora Lina geb. Oschmann in Hannover unter. Nach der Reichspogromnacht musste Hilde die Bürgerschule 26 in Hannover verlassen. Zuletzt waren Margarethe und Hilde gezwungen, zusammen mit 125 anderen Menschen in den 11 Räumen des Gemeindehauses der jüdischen Gemeinde in der Lützowstraße 3, das als eines der 15 sogn. „Judenhäuser“ der Stadt diente, zu leben. Am 15. Dezember 1941 wurden sie von Ahlem aus nach Riga deportiert und kamen dort um.
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